Annegrit Schmitt-Degenhart (1929–2021)
Am 21. Juni 2021 ist Annegrit Schmitt-Degenhart, zu deren bedeutendsten Publikationen das monumentale Corpus der italienischen Zeichnungen 1300–1450 gehört, in München verstorben.
Annegrit Schmitt-Degenhart, 1929 in Frankfurt am Main geboren, wuchs in einer kunstinteressierten Familie auf. Wie ihre jüngere, 1934 geborene Schwester Ursula, die später den Kunsthistoriker Otto Lehmann-Brockhaus heiratete, studierte sie nach dem Weltkrieg Kunstgeschichte und Archäologie sowie historische Hilfswissenschaften. Bei Hans Sedlmayr wurde sie 1955 in München promoviert mit einer Arbeit über den Nürnberger Künstler Hanns Lautensack, zu dessen Oeuvre vor allem Kupferstiche und Radierungen zählen. Dieses Interesse an den graphischen Künsten führte zur Begegnung mit ihrem späteren Ehemann, Bernhard Degenhart (1907–1999), Mitarbeiter und ab 1965 Konservator und Direktor der Staatlichen Graphischen Sammlung in München. Degenhart hatte in den 1930er Jahren als Assistent Ernst Steinmanns, des ersten Direktors des damals der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zugehörigen kunsthistorischen Instituts, der Bibliotheca Hertziana in Rom, ein Projekt zu einem Corpus entwickelt, das sich frühen Handzeichnungen in den einzelnen Regionen Italiens im Zeitraum von 1300–1450 widmen sollte. Annegrit Schmitt wurde ab 1955 Mitarbeiterin und bald Mitverantwortliche beim „Corpus“, ab 1969 war sie bis ihrer Pensionierung 1994 Konservatorin der Staatlichen Graphischen Sammlung, das Ehepaar war im Münchner Kunstbetrieb eine feste Größe. Mit Degenhart gab sie insgesamt 15 Bände des Corpus heraus, die die beiden gemeinsam mit einer Reihe von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen akribisch erforscht und geschrieben hatten und die durch ihre Ausführlichkeit und hohe Abbildungsqualität einen Standard in der Publikation von Zeichnungen setzten, herauszuheben sind die Bände zu Jacopo Bellini und Pisanello. Schmitts Forschungen betrafen insbesondere Entdeckung und Interpretation antiker Monumente in Zeichnungen der Frühen Renaissance.
Gelehrsamkeit, Kennerschaft und Energie bestimmten ihr wissenschaftliches Wirken bis in ihr hohes Alter. Ihre letzten Jahre waren von Krankheit und Krisen bestimmt. Wenngleich sie ihre kunsthistorischen Projekte nicht mehr aktiv betreiben konnte, verfolgte sie doch mit Aufmerksamkeit das Geschehen im Fach und kommentierte dies oft mit launigem Witz. Ihr und ihres Mannes Lebenswerk, das Corpus, lag ihr bis in die letzten Wochen am Herzen. Mit Bernhard Degenhart noch hatte sie mit ihrem Privatvermögen eine Stiftung ins Leben gerufen, die die Arbeit am Corpus unterstützen sollte. 2018 schenkte sie der Fotothek der Bibliotheca Hertziana in Rom das gesamte Material des Corpus, Hunderte von Materialschachteln, Tausende von Büchern, Zehntausende von Fotos und unzählige Anknüpfungspunkte zur Geschichte der italienischen Zeichnung. Am 21. Juni 2021 ist Annegrit Schmitt-Degenhart in München verstorben.