Visualisierung von Wissenschaft in Medienrevolutionen
Die spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Wissenschaft war Zeuge zweier aufregender Entwicklungen: erstens wurden neue Mittel zur Übermittlung von Beobachtungen verfügbar, vor allem durch den Buchdruck, und zweitens entstanden neue Instrumente und Techniken zur Beobachtung der Welt. Mit anderen Worten: Die Wissenschaftler dieser Zeit blickten nicht nur in bis dahin unerforschte Winkel des Kosmos, sowohl in der Ferne als auch in der Nähe, sondern sie verfügten auch über neue Medien, mit denen sie das Gesehene darstellen und der Welt darüber berichten konnten. Diese Forschungsgruppe untersucht, wie diese Entwicklungen miteinander interagierten und dadurch eine neue Kultur der Visualisierung von Wissenschaft schufen.
Die Forschungsgruppe untersucht die Kommunikationsformen (wie das Briefeschreiben für bekannte Empfänger und das Schreiben gedruckter Bücher für ein unbekanntes Publikum) und die Medien, mit denen frühneuzeitliche Wissenschaftler ihre Ideen visualisierten und ihre Forschungsobjekte illustrierten. In der Frühen Neuzeit schufen besonders wissbegierige Menschen eine neue visuelle Kultur, und das aus einer Vielzahl von Gründen: es entstanden neue Medien (als Ergebnis des Buchdrucks), neue Werkzeuge zur Beobachtung der Welt (wie Teleskope und Mikroskope) und neue Fragen über die Natur und die Welt. Durch den Vergleich von Medien, Werkzeugen und Kommunikationsformen in verschiedenen Bereichen der frühneuzeitlichen Wissenschaft, wie Medizin, Architektur, Astronomie und Mathematik, untersuchen die Mitglieder dieser Forschungsgruppe die Auswirkungen der neuen Medien auf die visuelle Kommunikationsform der Wissenschaft. Darüber hinaus untersucht die Gruppe, wie sich neue Formen der Visualisierung auf die Fragen auswirkten, die sich die frühneuzeitlichen Praktiker der Wissenschaft und Medizin stellten. Aufbauend auf früheren Forschungen zu epistemischen Bildern, zur Geschichte des Buches und zur Geschichte der Beobachtung in Wissenschaft und Medizin, richtet sich der Fokus der Gruppe auf Fragen wie:
- Wie wirkte sich der Buchdruck nachhaltig auf die Beobachtungs- und Visualisierungsfähigkeiten frühneuzeitlicher wissenschaftlicher Praktiker aus?
- Wie kommunizierten wissenschaftliche Praktiker visuell für verschiedene Zielgruppen, in Manuskripten (Briefen, Notizbüchern, handgeschriebenen Büchern) neben gedruckten Büchern?
- Wie gingen frühneuzeitliche Wissenschaftler mit den praktischen und moralischen Fragen um, die mit der Herstellung und Manipulierbarkeit von Bildern verbunden waren?
Die Expertise der Forschungsgruppe in der Untersuchung von Medien, Visualisierung und Wissenschaft wird auch genutzt, um die Auswirkungen digitaler Medien und digitaler tools auf die aktuellen Arbeitsmethoden in den Geistes- und Naturwissenschaften zu untersuchen. Wie wirken sich aktuelle Innovationen in der Medientechnologie und Datenspeicherung auf die Rolle von Bildern in unseren eigenen Forschungsfragen und Forschungsmethoden aus? In einer Reihe von kleinen Workshops wird die Gruppe mit Forschern aus den Geisteswissenschaften, den digitalen Geisteswissenschaften, den Sozialwissenschaften und den Naturwissenschaften zusammenarbeiten, um neue Perspektiven zu eröffnen, wie Fragen der neuen Medien und neue Methoden der Visualisierung von Daten unsere Zeit betreffen. Diese Reflexionsübung wird das Bewusstsein für Praktiken, Möglichkeiten und Probleme schärfen, die durch den Einsatz neuer Medien in der Vergangenheit und in der Gegenwart entstehen.