Reiseliteratur

Die Bibliotheca Hertziana besitzt eine der besten Sammlungen zur Reiseliteratur Italiens. Diese, aber auch der Bestand zu Reisen in andere Länder wird laufend ergänzt, wobei der östliche Mittelmeerraum einen weiteren Schwerpunkt bildet. In den Signaturgruppen Fa (Reisen nach Italien) und Ff (in alle übrigen Länder) sind diese Publikationen chronologisch nach dem Zeitpunkt der Reise geordnet. Unter Reiseliteratur versteht man publizierte Tagebücher, Korrespondenzen und Erinnerungen, die aus reinem Text mit oder ohne Illustrationen aber auch aus reinen Bildbänden bestehen können: Antike Stätten, Naturwunder, Stadtveduten sowie Sitten und Gebräuche stehen hier nebeneinander. Über die Jahrhunderte hinweg lassen sich die Etablierung von Reiserouten, kanonischen Sehenswürdigkeiten und Wahrnehmungsmustern verfolgen, aber auch der Wandel des soziologischen Milieus der Reisenden selbst. Daneben sind die Druckwerke Dokumente zur Entwicklung editorischer Standards und Strategien.
Die Publikationen entstanden im Zusammenhang mit Bildungsreisen (Grand Tour), ethnologisch-naturkundlichen Interessen, aber auch militärisch oder politisch motivierten Reisen (etwa im Zusammenhang mit kolonialistischen Bestrebungen), wobei sich der Radius zunehmend von Europa und dem Orient nach Amerika ausweitete. Viele dieser Publikationen sind mit Suchbegriffen wie „Reiseliteratur“, „Reisebericht“, „Reiseführer“ in Kombination mit dem bereisten Land zu finden.

Ff 140-3060 raro II

Digitalisat


Reisen nach Italien

Martin Zeiller (1589–1661), ein deutscher Polyhistor mit großer literarischer Produktivität, Verfasser von Reisehandbüchern und Lexika, hatte 1628–1629 Italien bereist. Das Werk enthält die Beschreibung unterschiedlicher Reisewege von Deutschland und Frankreich nach Italien und historische Informationen, zum Teil aus eigener Erfahrung und zum Teil von anderen Autoren übernommen. Das Frontispiz ist von dem deutschen Stecher und Kunsttheoretiker Joachim Sandrart (1606–1688) signiert. Die Hertziana besitzt zwei Exemplare: eines mit allen Karten und Kupfertafeln, ein zweites, das wie so oft bei gut verkäuflichen Stichen geschehen, komplett geplündert wurde. 

Fa 150-2400 raro IV

Digitalisat

 

 


Das Album mit Stadt- und Landschaftsveduten trägt auf der ersten Seite den Titel „Vues de mon voyage en Italie 1845“ und den Namen „Zoë C.tesse de Gray“. Die Reise nach Italien nimmt mit 19 Blatt aber nur einen kleinen Teil ein, es folgen eingeleitet mit „Voyage de Caroline en 1852 – juillet et août“ Motive aus Frankreich, der Schweiz und Belgien. Unter den Ansichten aus Italien nehmen Neapel und Pompei einen großen Raum ein. Zu den handelsüblichen touristischen Drucken kommen auch einige handgefertigte Gouachen, wie sie vor Ort als Souvenirs den Reisenden angeboten wurden. Die eingeklebten Bilder dokumentieren so einen vor-fotografischen Bilder-Markt, der sich im Zuge des aus der Grand Tour entstehenden Tourismus etablierte.

Fa 230-4524 raro VII

Digitalisat 

 


Olga von Gerstfeldt (1866–1910), Schriftstellerin und Kunstwissenschaftlerin, hatte 1901 den Kunsthistoriker Ernst Steinmann (1866–1934) geheiratet, der später erster Direktor der Bibliotheca Hertziana wurde. Im Jahr ihres Todes erschien das gemeinsam mit ihrem Mann verfaßte Buch Pilgerfahrten in Italien, das eine Zusammenstellung von Gedichten und Essays enthält. Es erlebte bis 1914 drei Auflagen, die vierte, um zahlreiche Fotos erweiterte erschien 1922. Die Hertziana besitzt mehrere Exemplare, von denen drei den Überarbeitungsprozess durch Ernst Steinmann anhand handschriftlicher Einträge und Beilagen dokumentieren. Dieses Exemplar hier enthält zudem einen Besitzvermerk, der seinerseits einen Entstehungsprozess dokumentiert: Es handelt sich um das von Marcus Behmer (1879–1985) gestaltete Exlibris, von dem die Bibliothek ein signiertes und auf September 1912 datiertes Exemplar besitzt (K-STE 3539–5120 raro IV). Hier jedoch erscheint es in einer Version, bei der die drei Gerstenhalme im Zentrum der von Zypressen flankierten Pyramide sowie die Namen Ernst Steinmann und Olga von Gerstfeldt darunter fehlen.

Fa 300-5105/f raro IV

Digitalisat

 


Bei diesem voluminösen Band handelt sich um Reisetagebuch, in das Bild- und Textmaterial unterschiedlichster Art – vor allem Postkarten und Eintrittskarten – entsprechend dem Verlauf der Reise in den Text eingeklebt sind. Die Verfasserin dürfte mit der Adressatin etlicher Postkarten, Vera Shore, identisch sein. Die junge Frau beschreibt die Reise mit ihrer Familie – die wir als Mother, Daddy, Dolly, Joyce und Lorna kennenlernen – von München über Venedig, Padua, Assisi und Perugia nach Rom. Hier stationierten sie, Ausflüge in die Umgebung etwa nach Tivoli und Bracciano eingeschlossen, vom 5. November 1912 bis 16. Februar 1913. Wir erfahren neben der Besichtigung der Monumente auch viel Alltägliches: Etwa von der Wohnungssuche, die sie in „such a nice flat“ in der Via Gregoriana 54 führt, von gesellschaftlichen Ereignissen, wie der Einladung zum Tanz oder zu einer Benefizveranstaltung des Tierschutzvereins, aber auch vom Einsturz eines Hauses zwischen der Via Capo le case und der Via Sistina am 8. Januar 1913, der zahlreiche Menschleben forderte. Das Tagebuch schließt mit den Worten, dass die Autorin vergessen habe, einen Penny in den Trevibrunnen zu werfen: „How silly of me!“

Fa 300-5136 raro V 

Digitalisat


Gustav Alexander Wilhelm Nicolai (1795–1868), Schriftsteller und Komponist, unternahm 1833 mit seiner Familie eine fünfzehnwöchige Reise nach Italien – zunächst wohl enthusiastisch, wie viele seiner Zeitgenossen, die sich von Italiensehnsucht getrieben auf den Weg machten. Schnell jedoch begann er vor allem die negativen Seiten wahrzunehmen: Herbergen, Poststationen und Lastträger waren teuer bzw. betrügerisch, die Städte ruinös, schmutzig und eng, die Bevölkerung unzivilisiert, laut und aufdringlich, das Brot ungenießbar, Ungeziefer lauerte aller Orten, selbst der Landschaft mangelte es an grün und der Olivenbaum war eine Enttäuschung. Während König Friedrich Wilhelm III. ihm die Goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft für dieses Werk verlieh, erschienen zahlreiche kritische Rezensionen. Gegen eine davon in den Blättern für literarische Unterhaltung vom 1. September 1834 (Nr. 244) klagte Nicolai erfolglos wegen Beleidigung, ein Urteil, das Rechtsgeschichte schrieb, weil es das Recht der literarischen Kritik definierte. Der zweiten Auflage des Werkes 1835 fügte der Autor als Anhang sowohl negative wie anerkennende Kommentare an. 

Fa 230-4344/a1-2 raro

Digitalisat


Reisen in alle übrigen Länder

Das kleine Büchlein enthält die Beschreibung einer Reise nach Konstantinopel, die Giovanni Battista Casti (1724–1803) 1788 unternommen hatte. Der italienische Dichter, Satiriker, Verfasser von Opernlibretti, poeta cesareo zu Wien und berühmt für sein Epos Gli animali parlanti, war also bereits verstorben, als die Publikation erschien. Die Herausgeber, Batteli und Fanfani, die zwischen 1809 und 1827 in Mailand unter anderem auch Atlanten herausgaben, versuchten sich wohl die Bekanntheit des Autors zunutze zu machen. Bei der im Titel erwähnten Karte handelt es sich um eine ausklappbare Stadtvedute. Das Exemplar der Hertziana wurde mit einem Einband mit marmoriertem Kleisterpapier versehen, während der Buchrücken aus einem wiederverwendeten Pergament besteht, auf dem Reste einer Notenschrift zu erkennen sind. 

Ff 160-4220 raro I  

Digitalisat


Dieses originale Skizzenbuch gibt nur wenig Auskunft über seine Entstehung: Ein Stempel im Buchdeckel verweist nach London, darunter ist ein Name – vielleicht A. oder H. Stow – und die Angabe 1836–1837 zu lesen. Die dargestellten, teilweise kolorierten Motive sind in englischer Sprache beschriftet und dokumentieren eine Reise über die Alpen durch Frankreich nach Italien. 

Ff 180-4362 raro III

Digitalisat

 

 

 

 

 


Unter den zahlreichen Publikationen, die zum Genre der Reiseliteratur zu rechnen sind, finden sich relativ wenige, in denen sich Autorinnen zu Wort melden. Die Schriftstellerin Annie Jane Harvey (1825–1898), auch unter dem Pseudonym Andrée Hope bekannt, gehört zu den Ausnahmen. Ihre Reise nach Damaskus und den Libanon unternahm sie in Begleitung eines Mr. Graham, ihres Ehemannes, John Harvey of Ickwell-Bury und ihrer Schwester. Dass sich die Konditionen der weiblichen Reisenden unterschieden, wird nicht thematisiert, aber implizit deutlich, wenn sie etwa berichtet, wie sie sich in Damaskus verschleiern, um die Stadt zu besichtigen. Die acht Illustrationen ¬- zumeist Veduten einzelner Gebäude - tragen jeweils das Datum, das dem Bericht korrespondiert, und die Initialen AH. Die Vorlagen scheinen also von der Autorin selbst angefertigt worden zu sein. 

Ff 180-4613 raro III

Digitalisat

Zur Redakteursansicht