Now We Have Seen. Frauen und Kunst im Italien der 1970er Jahre
Das Schaffen italienischer Künstlerinnen stand in den 1970er Jahren in enger Verbindung mit den theoretischen Diskursen und gesellschaftlichen Errungenschaften der feministischen Bewegung, die, wie keine andere Protestbewegung, die italienische Gesellschaft nachhaltig veränderte. Inwiefern jene Neuerungen, aber auch umgekehrt das Erbe einer patriarchalischen Gesellschaft, bis heute nachwirken, wird im Video von den Wissenschaftlerinnen Giorgia Gastaldon und Giovanna Zapperi und der Künstlerin Silvia Giambrone erläutert.
An römischen Hauswänden und Mauern prangerte 1970 das Manifest der Gruppe Weibliche Revolte (Rivolta Femminile) die Notwendigkeit einer systematischen feministischen Revolution an. Verfasst hatten es die Kunstkritikerin Carla Lonzi, die Malerin Carla Accardi und die Journalistin Elvira Banotti. Ausgehend von dem Manifest, in dem es heißt: "4000 Jahre lang haben wir zugeschaut – jetzt haben wir gesehen!", untersucht das Video den spezifischen Beitrag von Künstlerinnen und Kunstkritikerinnen an den gesellschaftskritischen Diskursen jener Jahre. Die Kunsthistorikerin Giorgia Gastaldon zeigt die Bedeutung und die Auswirkung der feministischen Bewegung auf die Produktions- und Ausstellungsbedingungen von Künstlerinnen auf und stellt verschiedene Initiativen vor, die eine Umstellung des patriarchalen Kunstsystems anstrebten. Mit der Schilderung der historischen Ausgangspositionen und der mannigfaltigen Diskussionen tritt uns eine Epoche des Auf- und Umbruchs vor Augen, die eine grundlegende Hinterfragung und Umwälzung bestehender Verhältnisse anstrebte. Das Video schärft unseren heutigen Blick für die beeindruckenden Errungenschaften der Protagonistinnen und sensibilisiert uns darauf, dass die Schaffung einer paritätischen Gesellschaft der aktiven Gestaltung bedarf. Ein Schritt in diese Richtung erfolgt über die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, die die Hinterfragung der eigenen gesellschaftlichen Gegenwart befördert.
Wissenschaftlerinnen: Giorgia Gastaldon und Giovanna Zapperi. Künstlerin: Silvia Giambrone
Giorgia Gastaldon ist Dozentin für zeitgenössische Kunstgeschichte an der Università degli Studi dell'Insubria und wissenschaftliche Leiterin des in der Abteilung Weddigen angesiedelten Projekts Now we have seen. Women and Art in 1970s Italy, gefördert vom Italian Council (2022), Direzione Generale Creatività Contemporanea, Ministero della Cultura. Die Ergebnisse des Projekts wurden in den Studi della Bibliotheca Hertziana, Bd. 18, publiziert.